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Emanuel Raab | Winterwald

Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin
Ausstellung

 
Die stillen, fast monochromen Fotoarbeiten der neuen Serie Winterwald von Emanuel Raabzeigen den Formenreichtum eines Naturraumes, der sich erst im winterlichen Erscheinungsbild offenbart.

Die stillen, fast monochromen Fotoarbeiten der neuen Serie Winterwald von Emanuel Raabzeigen den Formenreichtum eines Naturraumes, der sich erst im winterlichen Erscheinungsbild offenbart. Die Reduktion der Darstellung verstärkt die Konzentration auf die ästhetische Konstruktion der Bildelemente, die bis zur Abstraktion geraten. Ein Gewirr aus wild wuchernden Ästen und Zweigen fügt sich zu einem Muster, das sich wie Haargeflecht oder Spinnweben über die dahinter liegende Waldlandschaft spannt. Die feingliedrigen Linien verbinden sich wie eine filigrane Zeichnung zur detailreichen Oberflächenstruktur, das Chaos fügt sich nach längerem Hinschauen zur Ordnung. Bei aller Sachlichkeit dringt in den subtil komponierten Waldbildern eine romantisch geprägte Auffassung von Natur durch. Indem die fotografische Gestaltung malerischen Prämissen folgt, wird die Natur als geheimnisreicher Ort beschrieben und der Wald zur beseelten Landschaft transformiert.

Wald ist in Deutschland nicht einfach ein Naturraum sich wandelnder gesellschaftlicher und ökonomischer Nutzungen und Interessen, sondern ein Identitätssymbol schlechthin. Kaum ein deutsches Märchen, eine Volkserzählung oder eine deutsche Sage ohne Wald. Vor allem die Maler und Dichter der Romantik erhoben den deutschen Wald zur Seelenlandschaft und beschworen das Bild unberührter, geheimnisreicher Natur. Der Wald wurde zum Ort, in dem sich die Natursehnsucht der Städter vermischte mit dem Ursprungsmythos von undurchdringlichen Urwäldern. Trotz der realen Bedrohung der Wälder durch Waldsterben und wachsende kommerzielle Interessen hält sich die Vorstellung vom Wald als heilige Stätte und als Zufluchtsort für Einsamkeit und Selbstfindung.

Emanuel Raabs Serie Winterwald knüpft an diese ambivalenten Naturvorstellungen an. Seine Bilder einer scheinbar undurchdringlichen Natur scheinen der Realität gänzlich entrückt und voller Geheimnis. Eine melancholische Poesie überzieht die winterlichen Ansichten, in welchen der Keim des nächsten Erwachens nahezu unbemerkt unter der Oberfläche schlummert. Gleichzeitig scheint im Dickicht der Natur eine latente Bedrohung herauf, die nicht mit Bestimmtheit zu verorten ist. Hier kann man sich verirren, manchmal auch verloren gehen. Nichts ist nach menschlichen Bedürfnissen geordnet, nichts weist einen Weg. Das Ursprüngliche ist in seiner archaischen Präsenz immer auch mächtig und der menschlichen Dimension entwachsen. In der Tiefe des Waldes angekommen, werden die kollektiven Bilder seiner mythischen Geschichte unwillkürlich lebendig.

Ausgehend von seinem fotografischen Entwurf stimmungsvoller Landschaftsbilder entwirft er eine Art Typologie des Naturhaften. In der Betrachtung der winterlichen Landschaft offenbart sich ein überraschend detailreiches Formen- und Strukturgefüge, welches das Wesenhafte des Waldes offenbart. Hinter der scheinbaren Monotonie von unbelaubtem Astwerk, Unterholz und Gestrüpp entfaltet sich der überwältigende Formenreichtum der Natur, die ihrer eigenen Logik und Gesetzmäßigkeit folgt. Der populären Auffassung von ‚toter Natur’ stellt der Künstler die nahezu unerschöpfliche Vielfalt organischer Erscheinungsformen gegenüber und entführt den Betrachter auf diese Weise im doppelten Sinne in eine verborgene Sphäre einer ihm vermeintlich bekannten Welt.

Eröffnung: Freitag, 20. Januar 2012, 19 Uhr
Eröffnungsrede: Dr. Christiane Stahl, Leiterin Alfred Ehrhardt Stiftung

Der Künstler ist anwesend.

Künstlergespräch Emanuel Raab mit Luminita Sabau: „Die Landschaft als Seelenbild“
Am Sonntag, 5. Februar 2012 um 14 Uhr
Eintritt frei. Wegen beschränktem Platzkontingent wird um Voranmeldung gebeten.

Abbildung oben: Winterwald #2, 2007, Fine Art Pigment Print, 45 x 60 cm, © the artist

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