Content Marketing gewinnt die Aufmerksamkeit und das Vertrauen künftiger Kunden mittels relevanter Inhalte und hilft so dabei, Produkte zu verkaufen. Wie das genau geht …
In der an Buzzwords reichen Welt des Marketings hat der Begriff Content Marketing in den letzten Jahren wohl einen der stärksten Buzz der Branche erfahren. Alle reden darüber, viele befassen sich damit und einige wenige wissen wohl sogar, worum es geht. Dieser Buzz ist keine Blase, er ist reell, wie etwa ein Blick auf Google Trends zeigt.
Denn tatsächlich hat Content Marketing seit 2011 einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt. Das hat viel mit Joe Pulizzi und seinem Content Marketing Institute zu tun (www.joepulizzi.com). Pulizzi hat das Thema als Autor, Speaker und Berater seit einigen Jahren stark besetzt und mit seinem jährlichen Messe- und Kongress-Event Content Marketing World in Cleveland dazu beigetragen, es nicht nur in der Welt der professionellen Marketeers, sondern auch im Bewusstsein der Marketing treibenden Wirtschaft zu verankern.
Es werden aber nicht nur zahlreiche Bücher über Content Marketing geschrieben und Vorträge darüber gehalten. Content Marketing ist mittlerweile ein großes Geschäft. Allein in den USA werden milliardenschwere Budgets dafür ausgegeben. Längst befasst sich die Mehrheit der dort angesiedelten Unternehmen intensiv mit dem Thema, das damit zu einem ernstzunehmenden Faktor in der Marketingwelt wird – und damit weit mehr ist als ein bloßes Buzzword. Doch worum geht es dabei überhaupt?
Was bedeutet Content Marketing?
Content Marketing bedeutet grundsätzlich nichts anderes als eine Abkehr von der gewohnten Werbelogik. Nach dieser muss ein künftiger Kunde möglichst oft und intensiv Kauf-mich-Botschaften ausgesetzt werden. In diesen Botschaften ist von den Vorzügen des Produkts, seinen einzigartigen Eigenschaften und gern auch von der einzigartigen Stellung des verantwortlichen Unternehmens die Rede. Diese Logik ist gelernt. Und sie hat sehr, sehr lange sehr, sehr gut funktioniert.
Content Marketing steht für einen Paradigmenwechsel in der Kundenansprache: weg von der direkten, meist plumpen Werbebotschaft hin zu Inhalten, die für den Konsumenten wirklich relevant sind.
Mittlerweile jedoch reagieren Konsumenten zunehmend weniger auf solche Botschaften. Wir werden den ganzen Tag überall mit derart vielen solcher Botschaften konfrontiert, dass wir die einzelne Message immer weniger wahrnehmen und die Gesamtheit dieser Beschallung uns stört. Das führt dazu, dass wir zum einen nicht mehr zuhören und zum anderen versuchen, Werbebotschaften sogar aktiv auszuweichen, zum Beispiel mit Adblocker-Programmen auf dem Rechner.
Content Marketing versucht dieses Dilemma zu lösen, indem es einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Kundenansprache vollzieht: weg von der direkten, meist plumpen Werbebotschaft hin zu Botschaften und Inhalten, die für den Konsumenten tatsächlich relevant sind, weil sie informierend, hilfreich oder zumindest unterhaltend sind. Ein Unternehmen mit einer Content-Marketing-Strategie versucht, die Aufmerksamkeit des Kunden zu erlangen, indem es Themen aufgreift, die mit seinem Produkt mehr oder minder direkt in Beziehung stehen, und hierzu relevante Inhalte zu bieten, ohne sich selbst und seine Produkte in den Vordergrund zu stellen. Im Idealfall führt dieses Vorgehen dazu, dass der Kunde relevante Informationen erhält und/oder sich unterhalten fühlt, deshalb Vertrauen zum Absender fasst und schließlich auch dessen Produkte kauft.
Zusammengefasst bedeutet das also: Content Marketing ist eine Form des Marketings, bei der ein Unternehmen versucht, die Aufmerksamkeit seiner (künftigen) Kunden mittels informierender und/oder unterhaltender Inhalte zu gewinnen und aus der so erreichten Vertrauensposition heraus seine Produkte anzubieten und zu verkaufen.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Das klingt zunächst recht abstrakt, ist aber im Grunde nichts Neues. Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatte der amerikanische Landmaschinenhersteller John Deere das Content-Marketing-Prinzip verstanden – das damals freilich noch nicht so hieß. Mit dem regelmäßig erscheinenden Magazin »The Furrow« (http://johndeerefurrow.com) brachte Johne Deere damals ein Format auf den Markt, das relevante Informationen für Farmer enthielt – und das immer noch, denn das Magazin erscheint bis heute!
Wer ernsthaft wahrgenommen werden will und die Aufmerksamkeit seiner Zielgruppe gewinnen möchte, muss Publisher in eigener Sache sein.
Farmer erfuhren aus »The Furrow«, wie sie ihre Höfe effizienter führen und somit höhere Erträge erwirtschaften konnten. Natürlich war dies vor allem durch die Verwendung moderner landwirtschaftlicher Methoden und den Einsatz von Maschinen möglich. Und John Deere war – damals wie heute – einer der wesentlichen Anbieter solcher Ausrüstung. Die Idee war damals dieselbe wie heute: Den vielbeschäftigten und kritischen Farmer erreicht man als Anbieter landwirtschaftlicher Maschinen besser mit relevanten Inhalten als mit bloßen Kauf-mich-Botschaften.
Insofern ist das gebuzzte Content Marketing keine neue Erfindung. Der wesentliche Unterschied zu »The Furrow« liegt woanders. Nur ein großes Unternehmen kann es sich erlauben, regelmäßig ein Magazin mit relevanten Inhalten zu drucken und unter die Leute zu bringen. Üblicherweise ist dies das Geschäft von Verlagen. Diese verfügen über Redaktionen, das nötige Know-how und die Infrastruktur für Druck und Vertrieb. Kleine und mittlere Unternehmen hingegen können dies schon aus Kostengründen kaum leisten. Und selbst große Konzerne haben sich in der Vergangenheit eher selten als Publisher in ihren Märkten verstanden.
Das Internet mischt die Karten neu
Die Digitalisierung hat hier die Voraussetzungen vollständig geändert. Was früher praktisch Verlagen vorbehalten war, steht mittlerweile auch Unternehmen aller Größen immer mehr offen. Denn mit dem Internet ist heute ein Kanal vorhanden, der die Distribution von Informationen in fast allen Formen erschwinglich und für fast jeden möglich macht.
Unternehmen mit einer Content- Marketing-Strategie versuchen die Aufmerksamkeit des Kunden zu erlangen, indem sie Themen aufgreifen, die mit einem Produkt mehr oder minder direkt in Beziehung stehen, und hierzu relevante Inhalte zu bieten – ohne sich selbst und ihre Produkte in den Vordergrund zu stellen.
Früher hatten Verlage, Rundfunkanstalten et cetera faktisch ein Monopol für die Verbreitung von Informationen. Ihnen gehörten die Reichweiten auf ihren Kanälen, auch Owned Media genannt. Diese Reichweiten machten sie als Paid Media zahlenden Werbekunden zugänglich. Diese nutzten sie für die eingangs erwähnten und schon immer eher störenden Werbebotschaften. Heutzutage sind diese Kanalmonopole nicht mehr zwingend. Jedes Unternehmen kann für sich eigene Kanäle zugänglich machen, die es dann mehr oder minder vollständig kontrolliert, und sie mit eigenen Inhalten bespielen.
Es muss also kein eigenes Magazin mehr sein. Ein gekonnter Unternehmensblog auf der eigenen Website kann bereits eine Menge leisten. Interessant wird die Sache dann vor allem durch die verstärkende Wirkung sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube, LinkedIn et cetera. Diese stellen Unternehmen nicht nur (kostenfrei) Kanäle zur Verbreitung ihrer eigenen Inhalte zur Verfügung, sondern bieten überdies die Möglichkeit, dass diese Inhalte von den Nutzern nicht nur wahrgenommen, sondern aktiv weiterverbreitet werden.
Auf diese Weise können Inhalte Reichweiten erzielen, die auf konventionelle Weise gar nicht oder nur sehr schwer (und zu hohen Kosten!) erreichbar wären. Mit herkömmlicher, klassischer Werbung gelingt dies normalerweise nicht. Wer verbreitet aktiv Werbebotschaften weiter, wenn er sie selbst schon ungern sieht? Solche Reichweite verdient sich ein Unternehmen durch die Relevanz seiner Inhalte – weshalb man auch von Earned Media spricht. Nur Inhalte, die für den Kunden tatsächlich relevant sind – weil sie ihm zum Beispiel bei der Lösung eines Problems helfen –, wird dieser von sich aus mit seinen Social-Media-Kontakten teilen und somit zum Erfolg des verantwortlichen Unternehmens beitragen. Auch kleine Unternehmen können auf diese Weise hohe Reichweiten und damit große Aufmerksamkeit erzielen – sofern sie ihren Zielgruppen relevante Inhalte anbieten.
Wer ernsthaft wahrgenommen werden will und die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden wecken möchte, muss Publisher in eigener Sache sein. Und das bedeutet: Er muss seine Zielgruppe kennen und verstehen, er muss aus diesem Wissen eine Content-Strategie ableiten, er muss den entsprechenden relevanten Content produzieren (ganz gleich, ob es sich dabei um Text, Bild oder Video handelt) und diesen über die für seine Zielgruppe wichtigen Kanäle verbreiten. Auf diese Weise schafft er mittels Content nachhaltig Aufmerksamkeit für sich. Und diese Aufmerksamkeit kann er nutzen, um im nächsten Schritt seine Produkte ins Spiel zu bringen und zu verkaufen. Wenn das alles zusammenkommt, sprechen wir von gelungenem Content Marketing.
Mit dem Internet ist heute ein Kanal vorhanden, der die Distribution von Inhalten in fast allen Formen erschwinglich und für fast jeden möglich macht.
Für viele Branchen und Berufe, die traditionell mit Publishing und Werbung zu tun haben, bringt diese Entwicklung einschneidende Änderungen mit sich. Unternehmen, die erfolgreiche Publisher werden, sind immer weniger auf Verlage angewiesen. Letztere müssen sich dieser Entwicklung stellen, um weiterhin als Content-Spezialisten relevant zu bleiben. Für sie kann ein erfolgreicher Weg darin bestehen, sowohl über die besten und exklusivsten Inhalte zu verfügen als auch die effektive digitale Verbreitung mit maximaler Sichtbarkeit und Reichweite zu beherrschen.
Auch die Werber trifft es hart. Denn wer ständig Kauf-mich-Botschaften entwickelt, wird es umso schwerer haben, je mehr stattdessen inhaltliche Relevanz gefragt ist. Corporate Publisher und andere Marketing-Agenturen werden sich ebenfalls immer stärker auf relevante Inhalte und Konzepte spezialisieren müssen, wenn sie auch in Zukunft Ansprechpartner der Industrie bleiben wollen.
Für jeden, der in diesem Bereich beschäftigt ist oder noch nach einem Einstieg sucht, lautet das Fazit daher: Nur, wer für Zielgruppen inhaltlich relevante Konzepte und Inhalte gestaltet, umsetzt und – allein oder mit anderen spezialisierten Agenturen – distribuiert und deren Wirksamkeit anhand von Zahlen belegen kann, wird auch in Zukunft Freude am Geschäft haben – ganz gleich, ob er Gestalter, Texter, Social-Media-Profi, Marketeer oder Programmierer ist.
Der Autor
Dr. Simon Geisler verantwortet seit August 2015 als Chief Marketing Officer die Content Marketing Strategie des Ebner Verlags, in dem auch PAGE erscheint. Sein Wissen teilt er auch auf www.communicateandsell.de.
Alle weitere PAGE-Connect-Artikel zum Thema Content Strategy finden Sie hier.
Zum Download des PAGE Connect eDossiers »Das macht ein Content Strategist bei C3 Creative and Content« geht’s hier.