Wir sprachen mit Kombinatrotweiss-Inhaberin Svetlana Jakel über ihre Haltung zu Creative AI und warum sich beim Summit Politik und Designbranche eng austauschen sollten
Am 6. und 7. März wird Hamburg zum Zentrum der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft. Der German Creative Economy Summit bringt Speaker:innen aus allen Bereichen der Kreation, sowie politische Akteur:innen und neugieriges Publikum zusammen, um zu Netzwerken und über aktuelle Entwicklungen in der Branche zu diskutieren.
Über 100 Speaker:innen erobern dabei mehrere Bühnen und sprechen über Potenziale des Designs, Chancen und Herausforderungen in Tech, Business und Gesellschaft.
Darunter auch Svetlana Jakel, die aus ihrem Illustrations-Büro Kombinatrotweiss aus Frankfurt für Panel zum Thema KI und Kreativwirtschaft anreist.
Interview: »Um mit Illustration wirklich zu berühren, braucht es menschliche Intelligenz«
Svetlana Jakel stellt große Erwartungen an den Creative Economy Summit und freut sich vor allem auf den Austausch mit anderen Kreativen und politischen Vertreter:innen.
Denn für sie ist ganz klar, dass besonders über Künstliche Intelligenz noch weiter diskutiert werden muss, um nicht nur für Kreative, sondern auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene einen guten Umgang mit der Technologie zu finden.
Bild: Oliver Tamagnini
PAGE Svetlana, auf dem Summit vertrittst du im Panel »Die Wirtschaft von Kreativer KI« die Illustrationsbranche. Gerade Kreative aus dem Bildbereich betrachten die Technologie oft kritisch. Welchen Aspekt möchtest du in der Diskussion besonders hervorheben?
SVETLANA Die Meinungen zu Künstlicher Intelligenz in der Kreation sind ja sehr unterschiedlich. Bei mir könnte man natürlich annehmen, dass ich bereits wegen meinem Hintergrund im illustrativen Bereich von Haus aus dagegen bin. Natürlich habe ich mich auch informiert, verschiedene Workshops besucht und Tools getestet, um die Technologie besser einschätzen zu können.
Aber letztendlich ist es nicht die ökonomische Wirkung von KI, die meine Haltung ausmacht – viel wichtiger finde ich die philosophische Seite des Ganzen zu betrachten: Wie wollen wir als Kreative, als Menschen, die das ästhetische Verständnis der Gesellschaft formen, mit der Technologie umgehen?
Wir prägen mit Kommunikation, mit Werbung, mit Illustration, wie Menschen denken und ihre Umwelt wahrnehmen. Und in den letzten Jahren gab es dabei einen Trend weg von Qualitätsmerkmalen wie »made in Germany« hin zu »möglichst günstig«.
KI nimmt diesen Trend auf und verstärkt ihn noch. Auf einmal nutzen sogar Kreative die neuen Tools, die sonst immer qualitativ wirklich Großartiges abgeliefert haben, und scheinen die Qualität komplett außer Acht zu lassen. Das irritiert mich sehr und ich finde, wir müssen darüber offener sprechen.
Was macht die Qualität einer menschengemachten Illustration aus?
Die Stärke menschengemachter Illustration liegt darin, dass sie mit dem ganzen Körper und in Bewegung geschaffen wird. Jeder Strich ist geprägt von der Emotion der schaffenden Person in dem Moment, von der Wahl des Mediums, von winzigen Feinheiten im Gesamtbild.
Wenn ich aufgewühlt bin, ist meine Linie dynamischer, als wenn ich einen langweiligen Tag habe.
Wenn ich drei verschiedenen Illustrator:innen ein Briefing in exakt den selben Worten gebe, werden sie dennoch drei verschiedene Ergebnisse erzeugen, die alle in mir verschiedene Nuancen einer Emotion auslösen. Und das nehmen auch Kund:innen war, selbst wenn sie es nicht an bestimmten Bildmerkmalen festmachen können.
Um Bilder zu erschaffen, die wirklich berühren braucht es deshalb, meiner Meinung nach, menschliche Intelligenz und das Vertrauen die Wirkung von Dingen, die authentisch sind.
Was macht KI mit der Illustrations-Branche?
Wie spürt ihr die Auswirkungen von KI in eurem Alltag als Illustrations-Team?
Kombinatrotweiss hat ein großes Netzwerk mit über 60 talentierten Illustrator:innen, die sich technisch immer weiterbilden und interessiert sind. Wir tauschen uns regelmäßig aus – da war am Anfang der KI-Welle die Sorge natürlich groß, dass man bald die wirtschaftlichen Auswirkungen des Hypes spüren wird.
Und tatsächlich sind initial auch immer mehr Anfragen von Agentur-Kunden reingekommen, die sich KI-generiertes Material erhofft haben, oder sogar direkt von ihren Kund:innen die Aufforderung erhalten, mit KI zu arbeiten.
Doch es hat sich mittlerweile – nach einem Jahr des Ausprobierens – herausgestellt, dass einige Direkt-Kunden jetzt den Draht zu uns suchen, weil ihnen die Qualitätsunterschiede auffallen und wichtig sind.
Also siehst du die Zukunft der Illustration weiterhin positiv?
Das, was wir bisher von KI gesehen haben, entspricht noch nicht dem Qualitätsanspruch, den wir haben und ich glaube auch nicht, dass generierte Bilder jemals dieselbe Fähigkeit haben werden, Emotionen auszulösen.
Momentan stört mich vor allem, dass selbst bei eigens trainierten Modellen die Handschrift der jeweiligen Illustrator:in verloren geht. Mal abgesehen davon, dass diese geschlossenen Systeme etwas sind, das sich nur wenige Agenturen leisten können, erkennt man immer, welche Technik zugrunde liegt – ob DALLE, Stable Diffusion oder Midjourney.
Die Handschrift des Menschen dahinter geht verloren, und genau die macht aber am Ende das Ergebnis aus. Wir hatten etwa gehofft, in der Animation oder im Schnitt mit KI unsere Prozesse beschleunigen zu können, um repetitive Arbeiten abzukürzen. Aber auch dabei geht Charakter verloren, denn auch ein Motion Designer hat einen eigenen Stil, eine Cutterin verleiht einem Video erst die entscheidende Nuance.
KI kann also vielleicht mittelmäßige Stock-Kreation ersetzen, aber ich glaube fest daran, dass alles, wofür es einen hohen Qualitäts-Anspruch gibt, weiterhin von Menschen gemacht wird. Im Moment wünschen wir uns da auch mehr Rückhalt aus den Agenturen, um genau diese Qualität sichtbar zu machen und Kund:innen nicht einfach unreflektiert die günstigste Lösung zuzusagen.
Preview: Creative Economy Summit
Ja, gerade jetzt, wo viele Weichen für den Umgang mit KI gestellt werden, muss die Kreativbranche solidarisch handeln und sich auf Events wie dem Summit austauschen. Worauf freust du dich besonders bei dem Kongress?
Zuerst einmal freue ich mich, dass ich die Gelegenheit habe, so viele Menschen mit spannendem Background zu treffen. Und ich freue mich vor allen Dingen, dass die Politik da ist, und hoffentlich ganz große Ohren haben wird.
Ich habe hier in Hessen, wo wir mit der Agentur sitzen, bereits die Politik angesprochen und wurde auf die Umsetzung des AI Acts aus Brüssel vertröstet. Aber wir brauchen eben jetzt die Rahmenbedingungen und vor allem ein rechtliches Gerüst dafür, wie man den eigenen Stil schützen kann.
Das war bisher nicht nötig, aber ist jetzt unbedingt erforderlich, und zwar nicht nur, weil wir unseren Job gerne machen, sondern weil KI auch Auswirkungen auf den Umsatz innerhalb der Kreativwirtschaft haben wird.
Daran sind Leistungen wie die Künstlersozialkasse gekoppelt, Nutzungsrechte, Umsatzsteuer, etc. Wenn Kreativleistungen auf KI umgelagert und schlechter bezahlt werden, wirkt sich das direkt auf den Staat und die volkswirtschaftliche Gesamtlage aus.
Diese Zusammenhänge gilt es für mich auf dem Summit sorgfältig zu diskutieren und sichtbar zu machen, damit sich auch auf politischer Ebene etwas ändert.
KI, Kreativ-Politik und Haltung. Womit kann man dich beim Summit noch in ein Gespräch verwickeln?
Ganz einfach! Ich liebe es, Menschen kennenzulernen, die authentisch sind. Die eine informierte Meinung haben, auch, und gerade, wenn es nicht meine eigene ist. Ich sage gerne: »Nur wo Reibung ist, entsteht Wärme.«
Mir ist sympathisch, wenn Leute kein Blatt vor den Mund nehmen und mir neue Perspektiven eröffnen. Auch wenn man am Ende keinen Konsens findet, kann man unglaublich viel dabei lernen, verschiedene Standpunkte nachvollziehen, und sich auch mal selbst hinterfragen – und das ist gerade bei kontroversen Themen wichtig.
Dann wünsche ich dir, dass es besonders in deinem Panel viel Reibung gibt, und du spannende Menschen auf dem Summit kennenlernst!