PAGE online

»Künftig zählen Vorstellungskraft und Technologieverständnis«

Mitgründer und Geschäftsführer Johannes Plass sprach mit uns in PAGE 01.24 über Mutabors neues KI-Geschäftsmodell

Porträt eines lächelnden Mannes mit kurzen Haaren und einem dunkelblauen Pullover vor einem einfarbigen Hintergrund.Ende September stellte Mutabor ihr erstes eigenes, auf Stable Diffusion basierendes KI-Tool zur markengerech­ten Bildgenerierung vor, samt abgeschlossenem Branding-Case für den Bunde­s­ver­band Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. Ihr KI-Portfolio baut die Agentur seit Anfang des Jahres unter Hochdruck aus und arbeitet schon an den nächsten Tools.

Mit CEO Johannes Plass sprachen wir über die Herangehensweise der Agentur ans Thema KI und ihre strategische Positionierung innerhalb der sich massiv wandelnden Kreativbranche.

Ihr habt bereits vor Monaten eine Strategie für den Umgang mit KI entwickelt. Welche Ziele hattet ihr euch gesetzt?
Johannes Plass: Bei Mutabor ist künstliche Intelligenz schon lange ein Thema – aber als sich Ende 2022 der Durchbruch abzeichnete, haben wir den internen Austausch intensiviert und begonnen, über die Abteilun­gen hinweg auszuloten, welche Potenziale wir für unser Business sehen. Technische und kulturelle Innovation sind in unserer Branche essenziell. Aber KI hat deutlich mehr Impact als alles, was wir vorher gesehen haben. Für uns gibt es da einen klaren Weg: Flucht nach vorn.

Nur wer aufzeigt, welche fantastischen Möglichkeiten durch neue Formen der Zusammenarbeit und neue Tech­nologien entstehen, wird sein Team und seine Kunden dafür begeistern können. Wir sehen die Entwicklung in drei Phasen: zunächst die Nutzung bestehender Tools wie Midjourney, Stable Diffusion und ChatGPT, dann die Automatisierung von (Teil-)Prozessen und in Phase drei die Überführung in neue Arbeitsweisen. Gerade brechen wir selbst in Phase zwei auf, bieten aber für alle Kunden die gesamte Bandbreite an, da die Einstiegs­level und Bedürfnisse sehr unterschiedlich sind. Unser Ziel ist es, alle dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden, und gemeinsam auszuloten, wie wir in Zukunft miteinander arbeiten werden. 

PAGE 01.2024

KI-Geschäftsmodelle für Kreative ++ Scrollytelling für Branding und Infotainment ++ Studie: Designfähigkeit in Unternehmen ++ Making-of: Die Metaversity im Siemens-Intranet ++ Kollaboration in Zeiten von KI ++ ENGLISH SPECIAL Studio Birthplace ++ Mara Recklies über KI in der Designforschung

9,90 €
11,90 €
Lieferzeit: 2-3 Werktage
AGB

Neue Aufstellung und Leistungen

Welche KI-Angebote kommen bei Kund:innen gerade gut an?
Das hängt davon ab, wen man fragt. Führungsetagen wünschen sich Wege, ihre Mitarbeitenden zur Nutzung der neuen Technologie zu motivieren – da setzen wir mit Beratung an. Sobald man aber in die strategische Ebene oder ins Marketing geht, hat man es mit Menschen zu tun, die mit etwas Input von unserer Seite sofort die Potenziale sehen.

Wir beginnen deshalb meist mit ei­nem Workshop, in dem wir den aktuellen Stand der Tech­nik vorstellen und anhand von Beispielen aufzeigen, was bereits möglich ist. Die Bildgenerierung ist etwas, dessen Mehrwert sofort verstanden wird: die enorme Zeit­ersparnis, wenn etwa Social-Media-Verantwortliche das passende Bild direkt im Brand-Style erstellen können. Text ist ein weiterer Punkt, dessen Potenzial viele Kunden gut nachvollziehen können. Man denke nur daran, wie lange es dauert, Produktdetails in eine ansprechen­de Beschreibung umzuformulieren oder verschiedene Anzeigentexte zu schreiben. All das kann KI mit einigen gut definierten Parametern leisten.

Webseitenbanner mit einer Frau, die große Sonnenbrillen trägt, und Text, der 'Die Zukunftsgestalter' bewirbt, um die Bedeutung von digitaler Expertise und Zusammenarbeit hervorzuheben.

Aber ersetzt ihr damit nicht Leistungen, die ihr selbst anbietet?
Der grundsätzliche Job hat sich nicht verändert. Wir leis­ten als Kreative immer verschiedene Dinge: Die Vor­stel­lungskraft und die zündende Idee sind dabei das Wichtigste. Aktuell sind wir auch noch die ausführende Kraft in der Visualisierung und handwerklichen Umset­zung. Hier wird KI disruptiv die Branche verändern – nicht jedoch bei der Vorstellungskraft. Die Zurückbildung der handwerklichen Aufgaben hat sich schon vorher angebahnt, KI beschleunigt dies nur enorm.

Natürlich machen wir uns aber auch Gedanken über die lang- und mittelfristigen Auswirkungen von KI auf unsere Branche. Die Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft, der Thinktank des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit, sagt voraus, dass Banker und Kreative in den nächsten drei Jahren überflüssig werden. Dazu sage ich: Schaut euch an, wo ihr vor drei Jahren, vor der Pandemie, wart und wo ihr jetzt seid. Drei Jahre sind kein Todesurteil für die Kreativbranche, sie sind ein Auf­ruf, zu evaluieren, innovativer zu denken und eine neue Rolle zu definieren.

Was wir Kunden jetzt zusätzlich anbieten, ist Autonomie in alltäglichen, repetitiven Aufgaben. Die profes­sionelle Kreativarbeit liegt aber weiterhin bei uns, denn unsere Aufgabe wird in Zukunft eine sehr viel technik­orientiertere sein. Wir sind diejenigen, die Modelle trainieren, mit geschultem Auge aufbauen und in einem pas­senden Interface inszenieren, um Nicht-Profis die Arbeit damit zu ermöglichen. Dabei geht es weni­ger darum, das perfekte Keyvisual oder Kampagnenbild zu erstellen, sondern darum, Kunden zur korrekten Anwendung der Brand Guidelines zu befähigen.

»Die Zukunft gehört den strategischen Kreativen mit der technischen Kompetenz und dem Mut, KI als Chance
zu begreifen«

Tools und eigene Modelle

Ihr habt jetzt auch angefangen, eigene Tools zu entwickeln. Was genau bietet ihr an?
Wir haben mit einigen Kunden gesprochen und uns auf die Bildgenerierung als erstes Tool geeinigt, denn wir wollen es Laien so einfach wie möglich machen, ins Arbeiten mit der neuen Technologie zu kommen. Wir bieten deshalb das Training individueller Modelle an, die über ein reduziertes Interfaces mit kleineren Einstel­lungs­möglichkeiten für Formate und Bildinhalt Content generieren.

Den Entwicklungsprozess kann man sich vorstellen wie das Training neuer Mitarbeitender, die in Zukunft einen Kunden betreuen werden. Denen muss man erst einmal beibringen, welche Bilder zur Brand Language passen. Und genau das machen wir mit den individuellen Modellen: Wir füttern sie mit Bildmate­rial und geben dazu an, welche Elemente daran der Kun­denbildsprache entsprechen. Je mehr Material man beim Training verwendet, desto genauer werden am Ende die Ergebnisse. Das erforderliche Bildmaterial erhalten wir je nach Case vom Kunden, erstellen es selbst oder ziehen Quellen hinzu, die wir auch für andere Anwendungs­zwecke nutzen würden.

Das haben wir jetzt mit dem BVDW erstmals in ei­nem realen Case ge­testet. Dabei hat immens geholfen, dass der Verband als stark digital ausgerichteter Kunde ein hohes Eigeninteresse an KI und technologischer Ent­wicklung hat. So gab es im Projektverlauf mehr Freiheit zu experimen­tieren, da wir – Kunde und Kreative – glei­cherma­ßen an den Ergebnissen interessiert waren.

Es bleibt noch die rechtliche Problematik bei KI-generierten Bildern. Wie geht ihr damit um?
Wir haben uns juristisch beraten lassen und uns entschieden, in der aktuellen Lage mit Selbstbewusstsein vorzugehen. Die US-amerikanischen Klagen bieten kei­nen Präzedenzfall für Europa und Deutschland, sorgen allerdings bei vielen für Unsicherheit. Nach der aktu­ellen Rechts­lage ist es wichtig, dass unser Trainingsmaterial rechtssicher ist, unsere Modelle auf eigenen Servern laufen und von uns trainiert werden. Für unsere Kunden entsteht dabei kein Risiko, denn wir sind schon seit Jahren wegen unserer Arbeit für die Au­to­mo­bil­branche ein DSGVO-zertifiziertes Unternehmen. Das ist ein großes Investment, aber hat sich für uns jetzt definitiv ausgezahlt.

Schwieriger ist es bei den generierten Bildern – diese sind nicht automatisch urheberrechtlich geschützt und müssen aus diesem Grund von uns weiterbearbeitet werden, bevor wir sie Kunden einfach zur Verfügung stellen kön­nen. Wir arbeiten aber gerade daran, dass auch das auto­matisiert erfolgen kann.

Webseitenlayout zeigt ein Banner mit einem Androiden-Gesicht und beleuchteten Linien, das für Themen rund um künstliche Intelligenz wirbt, begleitet von Textblöcken und weiteren Bildern mit futuristischen Motiven.

Was bringt die Zukunft?

Die Herausforderungen sind also gerade vor allem technischer Natur. Was bedeutet das für das Kreativbusiness in Zukunft?
Im Moment ist es schwierig, den Überblick über den Markt zu behalten, weil so viel gleichzeitig passiert. Wir sind aber sicher, dass die Konkurrenz in Zukunft weniger unter Kreativen bestehen wird, sondern vielmehr zu anderen Branchen – vor allem dem IT-Bereich. Letztlich wird es dabei wieder auf Qualität, Idee und vor al­lem Wirtschaftlichkeit ankommen: Wer die beste Qualität zum kleinsten Preis liefern kann, wird die Aufträge erhalten.

Also testen wir, wie lange wir für das Trai­ning eines Modells brauchen, und bieten diese Leistung zu unseren gewohnten Tages- und Stundensätzen an. Die Dauer ergibt sich aus verschiedenen Faktoren: Wie detailliert soll die Bildsprache angepasst werden? Wie komplex sind Farbwelten und Formsprache? Wie viele Bilder müssen bearbeitet werden, um das Modell mit ihnen zu trainieren? Am Ende müssen wir mit unseren Modellen ein Angebot schaffen, das günstiger und besser ist, als auf eine Stockplattform oder andere Tools zurückzugreifen.

Das alles ist ein weiterer Push für uns, technische Grenzen zu überwinden und uns als kreativer Technikpartner für die neuen Entwicklungen zu positionieren. Dabei beschränken wir uns nicht auf Bildwelten, sondern arbeiten bereits an unserem nächsten Tool und werden stetig weitere Anwendungsbereiche für unsere Kunden aufdecken. Denn die Zukunft gehört den strategischen Kreativen mit der technischen Kompetenz und dem Mut, KI als Chance zu begreifen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren