PAGE online

Dalia Moniat zu KI und Recht: »Ist uns Innovation wichtiger als die wirtschaftliche Existenz von Kreativen?«

Der AI Act, scheinbar rechtssichere eigene Modelle und Aufruf zur Solidarität: Creative Strategist und Juristin Dalia Moniat beleuchtet die aktuelle rechtliche Lage mit KI.

Ein Portrait von Dalia Moniat. Einer jungen Frau mit kurzen, dunklen Locken, Pony und kräftigem Blauem Eyeliner, die an einem Tisch sitztDalia Moniat ist Creative Strategist und AI Consultant bei der Kreativagentur Karl Anders in Hamburg. Sie vereint ein ganz besonderes Skillset auf den Feldern Recht, Kunst und Creative Technologies, das auf einem Jurastudium mit Schwerpunkt Information und Kommunikation in Hamburg gründet.

Als autodidaktische Künstlerin und Designerin bringt sie zudem ein Gespür für digitale Trends und Strategien mit, die ihre interdisziplinäre Perspektive prägen. In einem selbst initiierten, von der Hamburger Universität geförderten Forschungsprojekt erkundet sie die Co-Creation zwischen Mensch und KI. Dabei steht sie dem Thema offen und kritisch zugleich gegenüber – denn die rechtliche Situation ist noch lange nicht geklärt.

Künstliche Intelligenz ist Grauzone – oder?

Was genau machst du als AI Consultant bei Karl Anders?
Dalia Moniat: Ich berate vorwiegend aus einer strategischen Perspektive, um der Agentur zu helfen, ein solides Framework für den Umgang mit KI aufzubauen. Das heißt konkret, dass ich aus dem Trendthema die wichtigen Fakten herausfiltere und für uns evaluiere. Dazu gehören Handlungsfelder, KI-Tools, Workflows und Kollaborationsmöglichkeiten. Daraus entwickle ich dann gemeinsam mit der Agenturleitung verschiedene Formate wie Seminare und Workshops, in denen Kund:innen den Umgang mit KI lernen.

Außerdem habe ich vor Kurzem unser Meetup »ChAI – Chats, AI and Tea« initiiert. Ein ­Format, mit dem wir unter Hamburger Kreativen ein offenes Gespräch zu verschiedenen KI-Aspek­ten an­regen wollen. Dabei hat sich gezeigt, dass auch in anderen Agenturen Tooling und Einsatzgebiete mitt­lerweile schon klarer zu greifen sind, es aber beim Thema Recht und kommerzielle Anwendung noch viele offene Fragen gibt. 

»Wir sind noch mitten im Prozess, die recht­lichen Leitplanken für den Umgang mit KI auszurichten. Deshalb ist es gerade umso wichtiger, sich aktiv an deren Entwicklung zu beteiligen und nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch zu evalu­ieren, wo wir Grenzen setzen wollen.«

KI ist immer noch eine rechtliche Grauzone und Gerichtsurteile lassen auf sich warten.
Das größte Problem liegt in der unterschiedlichen nationalen Handhabung von Privatsphäre, Fairness, Compliance, Wettbewerb, Innovationsförderung und Informationssicherheit. Allein innerhalb der EU wird seit drei Jahren der »AI Act« in Trilog-Verhandlun­gen mit Mitgliedern aus EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat diskutiert. Nun wurde die KI-Verordnung am 14. Juni final im EU-Parlament ab­gestimmt, und soll – sobald sie in Kraft tritt – in allen Mitgliedsstaaten gelten.

Trotzdem bleibt die prak­tische Frage, unter welche Rechtsprechung die Server der KI-Unternehmen fallen und wie sie sich außerhalb der europäischen Union weiterentwickelt. Solche internationalen Unterschiede hemmen den juristischen Einfluss, und das führt dazu, dass sich die Tools und der Markt für KI-Produkte sehr viel schneller entwickeln als der rechtliche Rahmen.

Wir sind also noch mitten im Prozess, die recht­lichen Leitplanken für den Umgang mit KI auszurichten. Deshalb ist es gerade umso wichtiger, sich aktiv an deren Entwicklung zu beteiligen und nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch zu evalu­ieren, wo wir Grenzen setzen wollen.

Ein Screenshot aus einem großen Firma Board, auf dem hunderte Ki generierte Bilder sortiert sind
Viviane Harder,Senior Designerin bei Karl Anders, und AI Consultant Dalia Moniat experimentier­ten für die Identity des »ChAI«-Meetups mit KI. Dabei generierten sie verschiedene 3D-Elemente in Midjourney, die sie anschließend durch Collagetechnik zu einem Plakat zusammensetzten und so wieder rechtssicher machten

»Als Kreative tragen wir eine Verantwortung dafür, dass alles, was wir dem Kunden bereitstellen, auch rechtlich ab­gesichert ist.«

Wege aus der rechtlichen Unklarheit

Viele Kreative arbeiten ja gerade an eigenen KI-Modellen. Meinst du, dass diese einen Lösungsansatz für die rechtlichen Probleme darstellen könnten?
Das Schützenswerte an den eigenen Modellen sind in der Regel Bilddatenbanken, die Kreative zu Trainings­zwecken aufbauen. Diese könnte man aus eigenen Bilddatenbeständen, aus lizenzfreiem Material und Bildern, für die man die Nutzungesrechte hat, zusam­menstellen, sodass man zumindest Kon­trolle über die Herkunft und Weiterverarbeitung der Bilder erhält. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass die Basismodelle meist mit Miningdaten aus dem offenen Netz trainiert wurden, aber so könnten wir wenigs­tens beeinflussen, wie sich eigene Model­le wei­ter­entwickeln. Wichtig hierbei sind ma­xi­male Trans­pa­renz und Klarheit im Umgang mit dem eingespeisten Material und die Einholung etwaiger Lizenz- und Nut­zungsrechte für eine solche maschinelle Verarbeitung.

Gerade für Agenturen ist dies ein möglicher Weg, um sich für Kundenprojekte einen rechtlich abge­sicherten Rahmen aufzubauen und nachzuweisen, dass ihnen auch die generierten Bilder gehören. Das ist nämlich bisher eines der größten Pro­bleme, wenn man KI in kommerziellen Projekten anwenden will. Per definitionem haben wir an den KI-generierten Inhalten aus öffentlichen Tools nämlich erst einmal kein Urheberrecht, sprich alle Nut­zer:innen könn­ten unser Bild in ihren eigenen Arbeiten weiterverwenden. Als Kreative tragen wir aber eine Verantwortung dafür, dass alles, was wir dem Kunden bereitstellen, auch rechtlich ab­gesichert ist.

Wie macht man KI-generierte Werke wieder rechtssicher für Kund:innen?
Das Urheberrecht greift dann wieder, wenn das Bild auch nach der Generierung noch einmal durch den Menschen bearbeitet wurde. Dann ist es eine eigene geistige Leistung und kann – solange man die ethische Komponente außen vorlässt – in Kundenprojekten eingesetzt werden. Allerdings ist derzeit noch nicht verbindlich geklärt, wie stark man das Bild noch bearbeiten muss. Reicht ein Farbfilter oder eine in Photoshop eingefügte Textur?

Im Keyvisual für unsere »ChAI«-Reihe haben die Senior Designerin Viviane Harder von Karl Anders und ich gemeinsam einen Workflow getestet und schließlich aus mehreren KI-­generierten Bildern eine Collage gestaltet. So haben wir dem maschinellen Output eine neue Ebene hinzugefügt und damit sichergestellt, dass das Recht am Plakat bei uns liegt.

Drei Plakate mit verschlungenen 3D Elementen und interessant verdrehter Typografie

»Vor allem ist Soli­darität innerhalb der Branche gefragt, während wir den Wert von menschengemachtem Design neu definieren.«

Haltung, Ethik und Solidarität

Was passiert mit den KI-generierten Arbeiten, die jetzt veröffentlicht werden, sobald es einen rechtlichen Rahmen gibt?
Nachträglich wird in der Regel nichts abgestraft. Die Arbeiten sind zwar ethisch problematisch, rechtlich aber in Ordnung. In Zukunft kann es allerdings sein, dass bestimmte Tools, deren Anbieter sich nicht dem nationalen Recht beugen, in Deutschland gesperrt werden. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Eher wird es passieren, dass KI-generierte Arbeiten gekennzeichnet werden müssen oder eine di­gitale Signatur erhalten, die sie als solche erkennbar macht – ähnlich wie Adobe Firefly es bereits handhabt.

Wir sollten im professionellen Agenturkontext vorsichtig sein, nicht zu sehr den Hype zu befeuern, solange so viele Faktoren noch nicht geklärt sind. Jetzt gilt es, mit Bedacht die Tools zu testen, weiterzuentwickeln, außerdem nicht einfach ungefiltert und ungekennzeichnet den KI-Content auf alle Plattformen zu spielen.

Wie können Kreative sich beim Thema KI absichern?
Freie Illustrator:innen und Fotograf:innen werden es damit am schwersten haben. Also müssen wir uns für die Zukunft Frameworks bauen, in denen Free­lancer:innen gemeinsam mit Agenturen agieren kön­nen. Sie könnten etwa eine Stilprobe in Form von Bild­beispielen als Material zum Training von KI-Mo­del­len bereitstellen und dafür Nutzungsgebühren ver­anschlagen. Ich rate gerade freien Kreativen außerdem immer dazu, sehr genau mit ihren Verträgen zu sein: Denn wer sagt, dass eine Agentur oder ein:e Kund:in nicht einfach zuvor bereitgestellte Illustrationen nutzt, um ein eigenes Modell zu trainieren?

Dies alles muss im Vertrag genau festgehalten sein – und sei es nur durch einen Sperrvermerk in den Nut­zungsrechten. Im Bestfall müssten Kreative das nicht selbst machen, sondern es gäbe dafür ganz klare recht­liche Vorgaben. Aber bis dahin müssen wir es eben selbst in die Hand nehmen. Dazu braucht es etwas Spekulation im Hinblick darauf, wie sich die KI weiter­entwickelt, und Selbstbewusstsein, diese The­men für sich zu beanspruchen. Aber vor allem ist Soli­darität innerhalb der Branche gefragt, während wir den Wert von menschengemachtem Design neu definieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren