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ADC-Warmup: Interview mit Dietmar Henneka

Zum Start des ADC-Festivals 2012 fragten wir Dietmar Henneka, Design-Jury-Vorsitzender: Was braucht eine Arbeit, um Gold zu holen? Worauf freuen Sie sich dieses Jahr besonders? Was ist Ihr Tipp für angehende Fotografen und Designer? Und mehr.

Zum Start des ADC-Festivals 2012 fragten wir Dietmar Henneka, Design-Jury-Vorsitzender: Was braucht eine Arbeit, um Gold zu holen? Worauf freuen Sie sich dieses Jahr besonders? Was ist Ihr Tipp für angehende Fotografen und Designer? Und mehr.

PAGE: Sie sind Fotograf. Wieso stehen Sie einer Design-Jury vor und keiner Fotografie-Jury? Welche Akzente können (und wollen) Sie setzen?

Dietmar Henneka: In aschgrauer Vorzeit, bevor ich als Auto-Fotograf »eingetütet« wurde, kümmerte ich mich um das Product Design in der Fotografie u. a. für Wega, Apple, ibm etc.. Mich haben immer gut gemachte und gestaltete Produkte interessiert und daraus wurde ganz selbstverständlich eine bereichernde Zusammenarbeit auch mit Produktgestaltern – heute Designer genannt. In all den ADC-Jahren hatte ich mehr Spaß in den Flachware- und Design-Jurys, ergo tauchte ich nur ab und zu in der Fotojury auf.
Was das Setzen von Akzenten betrifft: Der Jury-Vorsitzende hat zu allererst für ein zwischenmenschlich entspanntes Klima zu sorgen und keinesfalls vorab zu verkünden, was aus seiner Sicht gut oder schlecht ist.

Sie sitzen nicht zum ersten Mal in einer ADC-Jury. Was ist Ihnen wichtig bei der Jury-Arbeit? Worauf achten Sie besonders? Was muss eine Arbeit haben, um Gold zu holen – oder gar einen Grand Prix?

Jurys müssen Spaß machen. Der Vorsitzende, in meinem Verständnis, ist eher Mediator denn »Vorschwätzer«. Sein Votum sollte erst gefragt sein, wenn eine Patt-Situation ansteht. Wichtig sind mir die »Ausreißer«, also die öfters Null- oder Zehn-Voter. Als Vorsitzender spreche ich sie unter vier Augen an, um zu verstehen, weshalb sie alles entweder Schrott oder Gold finden. Meistens pendelt sich das Jury-Voting bei 3.5 bis 4.5 ein. Es sei denn, eine unverrückbare Hammeridee hängt an der Wand. Was mir seit Jahrzehnten auf die Nerven geht, ist das ewige Gejaule wegen einer angeblichen Medaillen-Zuschusterei unter den Juroren. Wie sollte das denn gehen? 13 Juroren müssten sich unter einander absprechen: Gibst du mir, gebe ich dir? Bullshit!
Was Gold betrifft: Wir haben klare Regeln, was Gold sein muss resp. bedeutet. Mit diesen durchdeklinierten ADC-Regeln kann ich nichts anfangen – obwohl der Vorsitzende sie jedes mal neu verbessert vorliest. Ergo, hier mit meinen eigenen Worten: Gold ist, wenn der argentinische Art Director in Buenos Dias Haarausfall bekommt, weshalb er eben diese Idee für seinen Kunden nicht hatte. Zu Silber: Hier muss der Bordeauxlais-Directeur-d’Artistique seinen letzten Château Lafitte neidlos köpfen, weil eben … Zu Bronze: Der AD aus Salzburg mampft sich mehrere Mozartkugeln rein, kündigt und will endlich zu den Jungen Matten, die diese Arbeit eingereicht haben. Zur Auszeichnung: Wir Juroren sind zufrieden, dass diese Arbeit die Ehre des ADC rettet. Schlussendlich der Grand Prix: Tja, da sitzen dann 22 Kategorie-Vorsitzende am Tisch und müssen bzw. dürfen den Master of Desaster wählen. 22 Meinungen ergeben 13 oder mehr Ja-Stimmen, eben den gemeinsamen Nenner!

Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr besonders? Worauf eher nicht?

Ich freue mich, wenn die Mitjuroren mich auserkoren haben. Man bewirbt sich ja um diesen »Posten«. Weshalb eigentlich? Eitelkeit oder eben die Tatsache, dass man mir einen fairen Vorsitz zutraut. Oft ist es jedoch entspannter und lustiger, in der Runde zur sitzen und People Watch zu betreiben. Hauptantrieb sind jedoch die Diskussionen. Da fällt eine Arbeit unter den 3.0-Level, findet jedoch einen überzeugenden Juror und kommt möglicherweise mit dessen Argumenten weiter. Und zu allererst natürlich die jährliche Neugierde, was an den Stellwänden hängen oder auf dem Gabentisch liegen wird.

Sie haben in diesem Jahr den ADC-Preis für Ihr Lebenswerk erhalten. Was bedeutet das für Sie?

Ruhm und Ehre sind vergänglich, doch Namenlosigkeit ist für immer. Geklaut, aber mein Credo. Locker vom nicht vorhandenen Hocker: 50% meine Fotografie, 50% meine sogenannte Nichtigkeit. Will heißen: Mein ADC ist heute zwar kein überschaubarer Club mehr, aber er gibt bzw. hat mir die Möglichkeit gegeben, mich mit der geballten Ladung von teils selbstzerstörerischen, teils durchgeknallten, teils bodenständigen Kreativen auszutauschen und gutes Zeug zu machen. Unbescheidenerweise: Wir sind wir. Nennen sie mir einen Berufszweig, wo solches heute noch möglich ist.

Was ist Ihr Tipp für angehende Fotografen und Designer? Was ist heute als Einsteiger besonders wichtig?

Rückgrat. Und vertraue deinem eigenen Können. Keinesfalls zu verwechseln mit Arroganz! Die Basics checken und wissen wer Paul Rand, Milton Glaser, Pierre Mendell, Helmut Krone, Otl Aicher oder Richard Avedon sind oder waren. Schon zu Beginn darauf achten, ein Longseller und keine Eintagsfliege zu werden. Nicht schon von der ersten Kohle einen weißen Porsche kaufen, sondern brav die Mehrwert- und sonstige Steuern abführen, falls selbständig.

An was arbeiten Sie gerade? Welche Projekte planen Sie?

Ich hole gerade meine verpennte Flower-Power-Gras-Kiff-Gammlerzeit nach, da ich damals in den frühen 70ern in den Startlöchern zur Selbständigkeit war. Für die ganz Genauen: Mich juckt mal wieder der Säbel und ich pitche um einen Autokalender. Für private Projekte bin ich leider noch nicht reif. Nach so vielen Jahren und teils monatlicher Post mit schwarzumränderten Umschlägen brettere ich nur noch mit 180km/h (Tempomat!), statt volle Kanne durch die Pampa … und das natürlich nur sonntagsfrüh, wenn Restdeutschland sich noch im Bett rumdreht. Tipp: A81 Allensbach-Stuttgart. Man nennt das wohl Entschleunigung.


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