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Kollaboration: Wie funktioniert eine reibungslose Kundenbeziehung?

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ndra Sarkar arbeitet in Berlin als Coach für die Kommunikationsbranche. Wir sprachen mit ihr darüber, wie wichtig die innere Haltung für eine reibungslose Kundenbeziehung ist und dass die Rolle als Partner nicht immer angebracht ist.

PAGE: Wie werde ich als Designer vom Dienstleister zum Partner?
ndra Sarkar: In meinen Augen ist bei­des kein Gegensatz. Designer sind immer Dienst­leister. Ich muss mir bewusst machen, welches Bild ich von mir und dem Kunden habe. Dabei spielt es eine große Rolle, wie ich Dienstleistung definiere: als Gegensatz zur Partnerschaft oder kom­plementär? Daraus ergibt sich, in welcher Rolle ich wahrgenommen werden will. Bei bestimmten Projekten möchte man vielleicht mehr Beratung machen und im Ping­pong mit dem Auftraggeber arbei­ten. Bei kleineren Aufträgen ist das meist nicht nötig – oder gar zeitraubend und hinderlich. Da macht man einfach, was gefragt ist. Soziale Kompetenz liegt darin, richtig einzuschätzen, was wann angebracht ist.

Muss ich meine Positionierung vor jedem Auftrag neu überdenken?
Das kommt drauf an. Wenn es flüssig läuft, muss man nicht jedes Mal darüber nachdenken. In dem Moment aber, wo man denkt: »Hier passt etwas nicht«, muss man sich fragen, warum – und ganz vorn anfan­gen. Das Auftreten muss dazu passen, wel­che Aufträge man haben möchte. Wenn man als Partner wahrgenommen werden und mit dem Chef sprechen möchte, sich aber verhält wie ein kleiner Dienstleister, wird man sein Ziel nicht erreichen.

Was passiert, wenn ich ein Bild im Kopf habe, aber unbewusst komplett anders auftrete?
Mit diesem Problem haben 80 Prozent mei­ner Klienten zu kämpfen. Neben der Selbstreflexion muss man sich fragen, was der Kunde für mich darstellt. Nehme ich ihn unterbewusst als potenziellen Gegner wahr und schalte auf Abwehr? Das strahlt man dann beim Treffen aus. Erst wenn man die Rollen für sich definiert hat, kann man entsprechend positioniert nach außen treten und das Gegenüber adäquat ansprechen.

Wie mache ich das am besten?
Immer authentisch sein. Das fängt bei der Außendarstellung an – mit Webauftritt, Visitenkarte, Präsentation, Habitus et cete­ra. Am besten schert man sich nicht um Kon­ventionen wie zerrissene Jeans oder Kostüm, sondern bleibt dem eigenen Stil treu. Das Äußere muss zur inneren Haltung passen – nicht zum Kunden. Dieser passt dann hoffentlich zur Positionierung. Aus dem Feedback des Gesprächspartners kann man erschließen, wie er mich wahrnimmt. Muss ich seinen Eindruck korrigieren oder passt alles? Sobald es passt, kann man in die Interaktion gehen.

Wie geht es dann weiter?
Im Interesse jedes Designers liegt es, ein sauberes Briefing zu erhalten. Man muss vorsichtig herausfinden, welches Problem der Kunde gelöst haben will. Denn Designer werden für Problemlösungen engagiert, nicht für einen Flyer oder eine App – die sind dann bestenfalls das Mittel zur Problemlösung. Wenn man bereits im Erst­gespräch feststellt, dass das, was der Kunde sich vorstellt, unmöglich oder nicht sinnvoll ist, muss man ihm das unverzüglich sagen.

Was mache ich, wenn mein Auftraggeber keine Ahnung von Design hat?
Gleich zu Beginn sollte man ausloten, wie viel Fachkompetenz das Gegenüber hat. Wenn Aufklärung nötig ist: Unbedingt vor­sichtig und respektvoll vorgehen! Man darf den, der einen bezahlt, nicht behandeln wie einen Vollidioten, also nicht belehrend sein oder die eigene Kompetenz überbordend darstellen. Wichtig ist eine verständliche Sprache, nicht zu viel Fachterminologie, sondern eine präzise, klare Darstellung der Sachlage. Um zu wissen, wo und wann man etwas genauer erklären sollte, muss man aufmerksam sein und gezielt Fragen stellen. Im Grunde ist es wie bei einem Date: Man muss zuhören und sich auf den anderen einlassen.

Und wenn dem Kunden trotz gutem Briefing mein Entwurf nicht gefällt?
Im Vertrag sollte man vorab festlegen, wie viele Korrekturschleifen es ohne zusätzli­che Bezahlung gibt. Inhaltlich kann man nur auf das Briefing verweisen und sachlich argumentieren. Beharrt der Kunde trotz fachlicher Bedenken auf einer suboptimalen Lösung, setzt man es entweder um – oder man bricht ab, was selbstverständlich Konsequenzen für die künftige Zusam­men­arbeit hat. Richtig problematisch wird es, wenn man noch kein Geld bekommen hat. Ich empfehle da­her Vorabzahlungen und Meilensteinabrechnungen. Derartige Rege­lun­gen sorgen für eine Entlastung der persönliche Beziehung.

Angenommen, der Auftrag ist gut verlaufen: Wie halte ich die Kundenbeziehung aufrecht und komme an Folgeaufträge?
Als langfristiger Partner positioniert man sich, indem man zeigt, dass man verstanden hat, was den Kunden umtreibt und was er braucht. Dafür sollte man während des Projekts gut zuhören. Worauf legt er beson­deren Wert? Wo könnte man ihm ein Goodie anbieten? Braucht er regelmäßig bestimmte Dinge? Ist er mit seinen bisheri­gen Dienstleistern nicht zufrieden? Steht im nächsten Jahr etwas an, das er noch nie gemacht hat, oder ist er stark unter Druck, sodass ich ihn entlasten könnte? Das alles sollte man beobachten und zum richtigen Zeitpunkt ansprechen.

Ganz wichtig: Einen Mehrwert immer auf Basis der eigenen Kompetenz anbieten – nicht mit Preisnachlässen. Die kann jeder. Das Gefühl, dass da jemand sitzt, der einen versteht, ist dagegen unschlagbar. Damit mei­ne ich nicht, dem Kunden nach dem Mund zu reden, sondern herauszufinden, wie der andere tickt. Das gilt nicht nur für Chefs, sondern auch alle anderen Kontakt­personen. Dann kann man mit Sachverstand Vorschläge machen. Vorsicht geboten ist bei der Formulierung »Es wäre besser, wenn Sie das so und so machen . . . « »Besser« ist relativ und hängt davon ab, was dem Kunden wichtig ist – Zeitersparnis, höhere Qualität, Innovation et cetera. Nicht unbedingt, was ich noch so anbieten möchte, einfach weil ich es kann.

Wie merke ich, dass ich lieber die Finger von einem Kunden lassen sollte?
Indem man genau zuhört, beobachtet und Zwischentöne aufgreift. Wer sitzt in den Meetings, wer nicht? Welche Atmosphäre herrscht in dem Unternehmen? Fühle ich mich wohl, oder will ich am liebsten nie wie­der dorthin? Das alles sollte man bewusst wahrnehmen und nach dem Treffen ruhig notieren. Das hilft, Distanz zu schaffen und zu reflektieren. Ist ein Projekt nicht gut gelaufen und man schaut sich die ers­ten Eindrücke noch mal an, merkt man viel­leicht, dass man von Anfang an kein gutes Gefühl hatte. Das hilft, die eigenen Antennen zu kalibrieren und sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Mit der Zeit lernt man Kunden schneller einzuschätzen. Man ent­wickelt ein Gespür dafür, was die eigene Rolle sein wird – egal, wie der Auftrag aussieht oder was einem versprochen wird.

Kann ich das trainieren?
Übung macht den Meister! Gerne mal an Pitches oder Bewerbungen teilnehmen, bei denen man den Auftrag gar nicht bekommen will. Wenn es dann doch dazu kommt, kann man immer noch ablehnen. Man kann sich auch bewusst in »feindliche« Situatio­nen begeben, um den Umgang mit schwierigen Kunden zu üben. Verlieren tut in dieser Situation nicht so weh. Generell darf man sich von Respekt einflößenden Entscheidern nicht abschrecken lassen. Es kann durchaus sein, dass man sich selbst gut mit ihnen versteht – eben weil man von außen kommt.


Das Interview ist als Teil der Titelgeschichte »Kunde & Kreativer: Ein Ziel, viele Wege« in  PAGE 11.2014 und im PAGE eDossier »Kunde & Kreativer – so klappt’s mit der Kollaboration« erschienen.

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