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Kaffee aus dem Smartphone: Tchibos neue Qbo-Welt

In die Tüte gesprochen: Christian Prill, Geschäftsführer Factor, über Mobile-Kaffee, Nachhaltigkeit und Marken-Wahrheiten …

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Neulich auf dem Margaretenplatz im 5. Wiener Bezirk. Qbo lädt mich an einem Coffee Truck zum Kaffee-Probieren ein. Ein neuer Player auf dem Markt der Kaffeekapselanbieter stellt sich vor. Wirklich neu? Die Marke ja, der Anbieter: nein. Denn Qbo ist eine mehr oder weniger unabhängige Tochter der Mutter Tchibo.

Das Design der Kaffeemaschinen und das Branding von Qbo wirken hochwertig. Das Logo-Q nimmt die Form der Kapseln auf, der Strich im Q baut eine Brücke zur Tchibo-Mutter, ebenso der Markenname mit der Endung »bo«. Andererseits sieht das Ganze dann doch sehr »gesehen« aus. Wie sie halt alle so sind, die Kaffeekapselsysteme. Nun fragt man sich: Braucht die Welt noch eine weitere Marke in diesem Segment? Ist das nicht ein bisschen spät, wo sich der Markt schon in der Preiserosion befindet?

Sehr viel Auswahl, Technik und kognitive Eigenleistung

Qbo will mit Barista-Qualität punkten und mit individuell konfiguriertem Lieblingskaffee via App. Wer sie sich runterlädt, kann sich seinen individuellen Kaffee konfigurieren und mit eigenem Namen benennen. Dann schickt man die Kreation an eine Qbo-Maschine, die mittels WLAN angesteuert wird. Sehr viel Auswahl, Technik und kognitive Eigenleistung. Der Aufwand erscheint hoch für eine Tasse Kaffee. Wer erlebt das als substanziellen Vorteil?

Andere Fragen sind noch beunruhigender. Wie sieht es aus beim Thema Nachhaltigkeit? Das ist ja nicht ganz unwichtig, wenn man vor allem ein urbanes Publikum unter 40 erreichen will. Die Kapseln schicken wir zum Recyceln nach Tirol, sagt der Qbo-Mann. Aha. Macht das denn auch der Kunde? Unterm Strich produziert Qbo noch mehr Müll und Müll-Logistik. Das passt mit der kommunizierten Nachhaltigkeit des Kaffees nicht recht zusammen.

Unterm Strich produziert Qbo noch mehr Müll und Müll-Logistik

Die interessanteste Marken-Frage stellt sich aber, wenn man den verschämten Tchibo-Hinweis auf der Verpackungsseite sieht. Enthält den guten Tchibo-Kaffee. Warum gibt es nur ein halbherziges Bekenntnis von Mutter und Tochter zueinander? Traut man sich nicht, den jüngeren Kaffeetrinkern die Marke Tchibo anzubieten? Oder liegt es daran, dass es ja schon ein Kapselsystem der Mutter gibt, Tchibo Cafissimo?

Wie auch immer: Wer die Qbo-Artikel online bestellen will, landet im Tchibo-Shop und wird spätestens dort mit der Familien-Wahrheit konfrontiert. Die eine ganz andere Anmutung hat. Alles nicht ganz einfach aus Marken-Sicht. Aber gut ist doch, dass der Kaffee auf der Straße geschmeckt hat.

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Über den Autor

Christian Prill ist Partner Brand Strategy bei Factor. Er entwickelt seit vielen Jahren Konzepte, um Marken zu stärken.

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