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Interbrand-CCO Andy Payne im Interview

Wir sprachen mit dem Global Chief Creative Officer von Interbrand darüber, wie sich der Designer-Beruf wandelt und wie sich Marken im »Age of You« verändern müssen.

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Als Global Chief Creative Officer ist Andy Payne für die Qualität der kreativen Leistungen von Interbrand weltweit verantwortlich. In diesem Jahr ist er außerdem Vorsitzender der Design Jury bei den Cannes Lions.

PAGE: Sie sitzen in diesem Jahr der Design Jury in Cannes vor. Was erwarten Sie? Worauf freuen Sie sich?

Andy Payne: Ich gehe davon aus, dass es wie immer tolle Einzelarbeiten geben wird, wie wunderbare Plakate oder smartes Packaging. Aber wenn ich es mir wünschen dürfte, würde ich es gerne sehen, wenn Design als ganzheitliches Tool angewandt wird, um Veränderungen anzustoßen. Insgesamt ist es ein großer Luxus, sich mal zurücklehnen und Arbeiten aus der ganzen Welt betrachten zu können.

In welche Richtung entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Beruf des Brand Designers?

Design wird erwachsen und bekommt weltweit einen immer höheren Stellenwert.

Unternehmen und Organisationen erkennen die Stärke von Design und verstehen langsam, wie sie es nutzen können, um sich zu verändern und weiterzuentwickeln. Damit rücken wir Designer ins Rampenlicht. Endlich können wir uns davon lösen, nur als Grafiker gesehen zu werden. Wir können helfen, echte Probleme zu lösen.

Können Sie ein Beispiel für dieses neue Verständnis geben – jenseits von Apple?

Einige Unternehmen, wie Burberry, Philips oder Samsung haben schon länger interne Kreativteams. Heute folgen immer mehr ihrem Beispiel – zum Beispiel Barclay’s in Großbritannien. Design einen festen Platz im Unternehmen einzuräumen ist ein Zeichen dafür, dass sich die Geschäftsstrategie verändert. Es bricht eine Lanze für die Rolle von Design in unserer Welt.

Aber ist es nicht auch eine Bedrohung für Branding Agenturen?

Es bedeutet zumindest, dass Agenturen sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen dürfen. Sie müssen ihre Kunden beraten und echten Mehrwert schaffen. Das bedeutet, dass ihre Rolle sich verändern wird. Ich habe in letzter Zeit an zwei Change Programmen in Unternehmen mitgearbeitet, wo wir als Partner für die internen Kreativunits fungiert haben – zur Beratung und Anleitung. Ich denke, solche Partnerschaften zwischen Agenturen und Unternehmen wird es im Zukunft häufiger geben. Die Qualität der Beratung wird ebenso wichtig wie die Qualität von Design und Ästhetik. Agenturen müssen die Messlatte höher legen. Außerdem: Woher kommen denn die Kreativen in den Unternehmen? Größtenteils aus Agenturen! Wir haben es also oft mit ehemaligen Kollegen und Konkurrenten zu tun. Wir müssen also fit sein.

Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Kreativen fit sind?

In allen Branchen und Disziplinen, in denen wir tätig sind, überprüfen wir stetig, wer wo Maßstäbe setzt, was sich verändert, in welche Richtung die Kunden tendieren und wohin die Reise geht. Wenn ein Interbrand-Büro ein neues Projekt in Angriff nimmt, sucht es den Austausch mit den anderen Standorten, um bisherige Erfahrungen in einem Sektor abzuklopfen – sei es Automobil, Fluglinien oder FMCG.

Das ist der Vorteil einer globalen Agentur: Man kann immer von anderen Märkten und Branchen lernen.

Der internationale Wissensaustausch sorgt dafür, dass wir immer wissen, was auf der Welt passiert. Zudem fragen wir uns immer, wie sich unsere Erkenntnisse auf andere Branchen übertragen lassen. Was können Banken von Automobilkonzernen lernen? Oder Fluglinien von FMCG-Herstellern? Letztlich erwarten Konsumenten Ähnliches von vielen Markenerlebnissen und Abläufen

Gibt es bei Interbrand eine spezielle Abteilung für Innovation?

Nein. Wir versuchen, innovatives Denken organisch aufzubauen und in das Mindset aller Standorte und in unsere Agenturkultur zu integrieren. Was wir aber haben, sind sogenannte Knowledge Manager, die den Austausch von Wissen fördern. Wenn ein neuer Auftrag rein kommt, tauschen sie sich in ihrem Netzwerk über die jeweiligen Herausforderungen aus und teilen ihr Wissen mit allen Standorten.

Nachwuchsförderung ist ein großes Thema für Agenturen. Was ist Ihr Tipp für junge Designer?

Ganz zentral ist die Balance zwischen Spezialistentum und Multidisziplinarität.

Wer daran interessiert ist, holistische Markenerlebnisse über verschiedene Kanäle hinweg zu erschaffen, ist in einer Brandingagentur richtig. Mein Tipp: Nutzen Sie Ihre eigenen Erfahrungen, um darüber nachzudenken, was die Welt wirklich braucht. Das ist der fundamentale Nutzen von Design: Die Welt besser, einfacher und verständlicher zu machen. Das gilt für alle Disziplinen – sei es Raumgestaltung oder Kommunikationsdesign. Wir müssen verstehen, was die Leute nervt und daraus Ideen entwickeln, wie es besser laufen kann – etwa mit einem neuen Produkt, einem neuen Interface oder einer neuen Umgebung. Designer müssen Menschen verstehen, um zu antizipieren, was sie brauchen.

Sie unterteilen die Entwicklung des Brandings in unterschiedliche Ären. Demnächst steht das Age of You an. Was meinen Sie damit genau?

Die Beziehung zwischen Marken und Konsumenten verändert sich stetig und lässt sich in bestimmte Stadien aufteilen. Im Age of Identity ging es für Marken darum, ihre Einzigartigkeit darzustellen. Sie beanspruchten einen Markt für sich und druckten ihr Logo darauf. Danach gewannen Markenwerte an Wichtigkeit und in direkter Verbindung damit die visuelle Identität: Das nenne ich das Age of Values. Von hier aus entwickelten wir uns hin zum Age of Experience, in dem wir uns heute befinden. Die Customer Journey und Touchpoints sind in den Fokus gerückt: Heute versuchen Marken, unverwechselbare Schlüsselerlebnisse für ihre Kunden zu schaffen. Wir gehen über in das Age of You, in dem der Konsument zunehmend die Kontrolle über seine eigene Marke gewinnen wird. Und unsere Aufgabe als Designer wird darin bestehen, Plattformen zu schaffen, auf deren Basis Menschen selbst kreativ werden können – und nicht nur mehr darin, Produkte und Services zu gestalten und an den Mann zu bringen.

Und wo kommen da Marken ins Spiel?

Marken müssen sich als Plattformen etablieren. Wie Airbnb: Die Plattform besitzt keine eigenen Räume oder Immobilien, sondern erleichtert die Kollaboration und den Austausch zwischen seinen Nutzern.

Designer übernehmen dabei die Rolle des Kultivators, vergleichbar mit einem Gärtner.

Wir sorgen dafür, dass die Erde gut ist und die richtigen Nährstoffen vorhanden sind für das, was wachsen soll. Seien es Plattformen wie Airbnb oder Uber – oder aber die Möglichkeit, sich selbst zur Marke zu machen.

Inwieweit verändert sich dadurch die Tätigkeit von Designern?

Nur weil wir uns auf eine neue Ära zubewegen, heißt das nicht, dass wir das Wissen aus den vorherigen verlieren. Dinge wie der starke Wiedererkennungswert einer Marke sind nach wie vor essenziell: Airbnb hat eine tolle Markengeschichte und mit dem Bélo zudem ein leicht wiedererkennbares Logo, das jeder nachzeichnen kann. Emotionales und Kontext schaffendes Storytelling verlieren nicht an Bedeutung. Grafik-, Web-, Raum- und Interfacedesign bleiben unsere Hauptaufgaben – aber wir müssen neue Wege finden, wie wir die Konsumenten darin einbinden.

Personalisierung ist ein wichtiger Faktor beim Age of You. Dafür braucht es Daten. Würden Sie sich als Big Data Enthusiasten bezeichnen?

Der Zauber liegt nicht in Big Data allein, sondern in dem Verständnis, was darin verborgen liegt. Unternehmen haben viele Einzelinformationen, aber nie das ganze Bild einer Person. Dafür müssen sie sich öffnen und Daten austauschen. Erst dann wird die Person hinter den Daten sichtbar.

Das klingt gruselig.

Natürlich ist Vertrauen dabei ein ganz wichtiger Faktor. Es wird viel bedeutender sein als die Liebe für eine Marke. Wir müssen das Gefühl haben, dass unsere Daten bei einem Unternehmen gut aufgehoben sind. Deshalb sollte jeder die Kontrolle über seine Daten haben – und darüber, mit wem er sie teilt. Marken, die ihren Kunden das ermöglichen, werden die Nase vorne haben.


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